Von Anfang an ein Einhorn

Der Europa-Chef von Samsung Bioepis stellt seine „Start-up-Firma “ beim Friday Talk vor

Wer träumt nicht davon, Manager in einem neu gegründeten Unternehmen zu sein, dessen Startkapital 1,3 Milliarden US-Dollar beträgt? Für Klaus Falk hat sich dieser Traum erfüllt, als er vor vier Jahren zur südkoreanischen Firma Samsung Bioepis wechselte, um dort als Vizepräsident deren Europageschäft aufzubauen. Zu diesem Zeitpunkt blickte Falk auf eine 30-jährige Karriere in der pharmazeutischen Industrie zurück, zunächst bei der Merck KGaA und dann bei Boehringer Ingelheim, wo er zuletzt für die Geschäftseinheit Biosimilars zuständig war. „Wir halten uns für ein Start-up-Unternehmen und tatsächlich sind wir auch eines“, sagte er anlässlich des Vortrages, den er im Rahmen der „Friday Talks“ im Rahmen des Studienganges zum Master of Pharmaceutical Business Administration hielt. „Wir verfügen über eine erstaunliche Start-up-Mentalität, ohne dabei jedoch irgendwelche Finanzierungsprobleme zu haben.“ In seinem gutbesuchten Vortrag stellte er das Konzept und die strategische Vision von Samsung Bioepis vor.

Aus einem internen Ideenlabor geboren

„Wir gehören nicht zur Samsung-Gruppe, weil es so etwas wie die Samsung-Gruppe überhaupt nicht gibt. Es gibt nur viele rechtlich unabhängige Unternehmen, die den Namen derselben Gründerfamilie tragen“, stellte Falk klar. Unter dem Schirm dieser Familie arbeitet aber ein gemeinsamer interner Think Tank, dessen strategische Aufgabe es ist, Geschäftsfelder zu erkunden, in welche die Familie investieren könnte, um „dort innerhalb eines absehbaren Zeitrahmens zum führenden Unternehmen zu werden“. In diesem Think Tank reifte um 2010 die Entscheidung, sich das biopharmazeutische Geschäftsfeld auf der Schiene der Biologika zu erschließen. Es war eine Zeit, in der einerseits die Nachfrage nach therapeutischen monoklonalen Antikörpern (Mab) beständig weiter zunahm, aber andererseits klar war, dass für die ersten dieser Mabs bald der Patentschutz ablaufen würde. Am Horizont zeichnete sich bereits die Einführung der ersten Mab-Biosimilars ab, an denen das südkoreanische Unternehmen Celltrion bereits zu arbeiten begonnen hatte. Infolgedessen konzipierte und gründete die Familie Samsung zwei Unternehmen, nämlich 2011 Samsung Biologics und 2012 Samsung Bioepis. Das erste ist ein Auftragshersteller von Biologika, der heute in seinen drei Anlagen in Incheon die größte Produktionskapazität der Welt anbietet. Zu seinen Kunden zählen Roche, BMS und andere namhafte Unternehmen. Samsung Bioepis konzentrierte sich zunächst auf die Entwicklung und die Vermarktung von Mab-Biosimilars. Es ist ein 85:15 Joint Venture zwischen Samsung Biologics und Biogen. Heute seien bereits vier Biosimilars von Samsung Bioepis zugelassen, die sowohl in Europa als auch in den USA und anderen Ländern auf der ganzen Welt vertrieben würden, sagte Falk. „Wie haben wir das geschafft? Durch unsere Belegschaft, unsere Plattformen und unsere Partner!“

Permanente Prozessinnovation als Schlüssel zum Erfolg

Während seiner vier Jahre bei Samsung Bioepis habe sich die Zahl der Mitarbeiter von 400 auf über 840 mehr als verdoppelt. 53% von ihnen hätten einen akademischen Abschluss, nicht wenige seien von großen Pharmafirmen abgeworben worden. Am bemerkenswertesten an der Belegschaft seiner Firma sei jedoch deren Durchschnittsalter von 33 Jahren, sagte Falk und lobte die „Agilität und Dynamik“ eines jungen Unternehmens mit ehrgeizigen Zielen. „Es ist extrem aufregend und sehr herausfordernd, dort zu arbeiten.“ Eine dieser Herausforderungen ist die Pflicht zur ständigen Verbesserung der Geschäftsprozesse. „Lessons learned“, anderswo eher ein Modewort als eine Selbstverständlichkeit, würden bei Samsung Bioepis sehr ernst genommen. Jede Abteilung müsse allen anderen mindestens alle drei Monate präsentieren, was sie aus ihren Arbeitsabläufen gelernt habe. Sie habe darzustellen, was richtig und was falsch gelaufen sei, aus welchen Gründen, und welche Schritte sie unternehme, um ihre Geschäftsprozesse künftig weiter zu verbessern. „Diese Art, voneinander zu lernen, verändert die Denkweise der Leute.“

Diese Denkweise fördere auch neue Einstellungen zur Entwicklung von Biosimilars. Auf ihrer Entwicklungsplattform strebe seine Firma an, unternehmerische Risiken einzugehen, ohne dadurch Qualität und Patientensicherheit zu gefährden, erklärte Falk, indem sie zum Beispiel bestimmte Entwicklungsschritte eher parallel als sequentiell angehe. So sorgfältig wie möglich, vielleicht sogar gründlicher als mancher Mitbewerber, betreibe Samsung Bioepis seine Biosimilar-Plattform, um allen strengen Auflagen der Behörden zu genügen, von der Charakterisierung über die Auswahl von Zelllinien und der Entwicklung der Verfahrenstechnik bis zum Hochskalieren und zur kommerziellen Produktion. Im ersten Entwicklungsschritt ihres Trastuzumab-Biosimilars beispielsweise hätten sie 103 Chargen des Originalpräparates geprüft, die sie über fünf Jahre lang gesammelt hatten. Im nächsten Schritt hätten sie mehr als 15,000 Klone gescreent, um zu bestimmen, welcher davon sich am besten für die gentechnische Herstellung ihres Biosimilars eignet.

„Wir verlassen uns nicht alleine auf CROs“

In diesem Zusammenhang erinnerte Klaus Falk an die charakteristische Eigenschaft von Biosimilars. Aufgrund ihrer rekombinanten Produktion in lebenden Organismen sind sie ihren Originalpräparaten nur ähnlich und können naturgemäß niemals völlig identische Kopien davon sein. Das unterscheidet sie von Generika. Das lasse ihre Entwicklung auch „zu einer riesigen Investition von 100 bis 300 Millionen US-Dollar werden, verglichen mit ein bis vier Millionen US-Dollar für ein Generikum“, sagte Falk. „Sie können zwar auf klinische Phase II-Studien verzichten, weil die vorrangig der Dosisfindung dienen, aber Sie müssen mindestens eine Phase III-Studie durchführen.“ Wenn ein Originalprodukt mehr als eine Indikation hat, verlangen die Zulassungsbehörden solch eine Studie in der „sensitivsten Indikation“ und erlaubten anschließend in der Regel die Extrapolation der Resultate, so dass sie das Biosimilar auf Basis einer Phase-III-Studie für alle Indikationen des Originators zulassen. Nur wenn der letztere zwei unterschiedliche Wirkungsmechanismen aufweist, muss sich das Biosimilar zwei Phase-III-Prüfungen unterziehen.

Um die medizinische Effektivität und die Kosteneffizienz klinischer Prüfungen zu maximieren, hat Samsung Bioepis für die mehr als 300 Zentren, mit denen es kooperiert, ein rigoroses Qualitätsmanagement eingeführt. Viele Unternehmen verließen sich völlig auf Auftragsfirmen für klinische Forschung (CROs), sagte Falk. „Wir arbeiten auch mit CROs, aber ehrlich gesagt trauen wir ihnen nicht ganz. Wir schicken einige unserer jungen Wissenschaftler zu unseren Studienzentren in aller Welt. Sie steuern die Rekrutierung von Patienten, unterstützen die Ärzte vor Ort dabei, das Studienprotokoll einzuhalten und kümmern sich um die rechtzeitige Versorgung mit Prüfpräparaten.“ Das sei umso notwendiger, als zwei Drittel der klinischen Prüfungen von Bioepis in relativ entlegenen Kliniken Osteuropas stattfänden. „Kliniken in Westeuropa und den USA hatten anfangs kein Interesse an der Entwicklung von Biosimilars, sie wollten ihre Forschungskapazitäten lieber Innovationen vorbehalten. Kliniken in Osteuropa dagegen waren froh, ihren Patienten Zugang zu diesen neuen Biologika verschaffen zu können, der diesen bis dahin meist verwehrt geblieben war.“ Bioepis‘ Botschaftermodell funktioniert offenbar gut, denn nicht nur erfülle oder übertreffe das Unternehmen die Anforderungen der Zulassungsbehörden, sondern verzeichne auch deutlich höhere Geschwindigkeiten bei der Aufnahme von Patienten in klinische Studien als die Konkurrenz.

Biosimilars sind nur der Anfang

Wichtig für den Erfolg von Samsung Bioepis seien von Beginn an auch seine Partnerschaften mit Merck Inc. und Biogen gewesen, sagte Falk, sowohl in der Produktion als auch im Marketing. Im März 2016 bot das Unternehmen sein erstes Biosimilar, Etanercept, in Europa aus. Am Ende dieses Jahres, vier Jahre nach seiner Gründung, hatte Bioepis damit schon einen Umsatz von mehr als 100 Millionen US-Dollar erzielt. In den beiden folgenden Jahren brachte das Unternehmen sein Infliximab- und sein Adalimumab-Biosimilar auf den Markt. „Wir sind damit das erste Unternehmen, das in Europa und den USA die Zulassung für alle drei Biosimilars erhalten hat, deren Originatoren die erste Generation der anti-TNF-Antikörper darstellen.“ Darüber hinaus sehe die Pipeline mehr als vielversprechend aus. Außer sieben Phase-III-Produkten und zahlreichen nachfolgenden Kandidaten enthält sie unter dem Laborcode „SB 26“ ein Antikörper-Molekül, das Samsung Bioepis von Takeda einlizenziert hat und nun als sein erstes Original-Biologikum selbst entwickelt. „Biosimilars werden weiterhin die geschäftliche Basis unseres Unternehmens bilden. Das Sprungbrett für unser zukünftiges Wachstum werden aber Kooperationen zur Entwicklung neuer, originaler Biologika sein.“ Klaus Falk glaubt fest an den Erfolg dieser Strategie: „Ich bin davon überzeugt, dass wir in 15 bis 20 Jahren zu den zehn größten Pharmaunternehmen der Welt gehören werden.“

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