Vertrauen in Personal und Pipeline als Basis erfolgreicher Innovation

Alexander Horn beim Friday Talk des Pharma-MBA: Eli Lilly verdoppelt die zahl seiner Beschäftigten in Deutschland

Höher hätte Alexander Horn die Latte nicht legen können als mit der Aussage, Eli Lilly sei auf dem Weg, zum menschlichsten und kundenfreundlichsten Pharmaunternehmen der Welt zu werden. Dass dieser Anspruch nicht von ungefähr kommt und durchaus eingelöst werden könnte, dafür erbrachte der promovierte Biologe freilich Belege, die sein Publikum beeindruckten. Horn arbeitet seit 22 Jahren für das aus Indianapolis stammende Unternehmen und wurde 2023 zu dessen Deutschlandchef ernannt. Im Rahmen der „Friday Talks“ des berufsbegleitenden Studiengangs zum Master of Pharmaceutical Business Administration sprach er über das Thema „Innovative Leadership: How Modern Leadership Promotes Innovation and Increases Efficiency“. Die Entwicklung von Führungskräften und die Fähigkeit zur Innovation hätten vor allem eines gemeinsam, sagte Horn, nämlich den Mut, Risiken einzugehen und Unsicherheit auszuhalten. Vertrauensvoll auf das Potential der eigenen Mitarbeiter zu setzen, folge dem gleichen Prinzip wie geduldig den Erfolg der eigenen Entwicklungspräparate voranzutreiben.

Aus sich selbst heraus gewachsen

Take what you find here and make it better and better(“Gehe von dem aus, was Du vorfindest, und verbessere es kontinuierlich“) – unter diesem Motto gründete der Offizier und Pharmakologe Eli Lilly im Jahr 1876 in Indianapolis mit einem Startkapital von 1500 Dollar sein Unternehmen. Integrität, Spitzenleistung und Respekt für Menschen waren von Anfang an die drei ethischen Grundpfeiler des Unternehmens. „Den Respekt so in den Vordergrund zu stellen, war damals geradezu revolutionär“, sagte Horn. Lilly sei es darum gegangen, Menschen mit einer unternehmerischen Einstellung zur Mitarbeit in seinem Unternehmen zu motivieren. Ausbeutung habe ihm fern gelegen. Aus dem bescheidenen amerikanischen Gründungsgebäude heraus ist Eli Lilly längst zu einem der weltweit führenden Anbieter von Arzneimitteln herangewachsen. Mit einem Börsenwert von rund 600 Milliarden Dollar – er hat sich in den vergangenen Jahren verdreifacht – zählt Lilly mit seinen 41.000 Beschäftigten heute zu den wertvollsten Pharmaunternehmen überhaupt. Bemerkenswert ist dabei, dass dieses Wachstum im Wesentlichen aus eigener Kraft erfolgt ist. „Wir mussten im Lauf unserer Geschichte keinen Mega-Merger bewältigen und weisen deshalb eine homogene Unternehmens- und Führungskultur auf.“

Mehr als ein Lippenbekenntnis

Dank dieser Unternehmenskultur vermochte es Eli Lilly besser als mancher Konkurrent, sich immer wieder neu zu erfinden. Diesen Prozess muss jede Pharmafirma alle ein bis zwei Jahrzehnte durchlaufen, wenn Patente für ihre Produkte auslaufen und erhebliche Umsatzverluste drohen. Wenigen gelang es, diese Patentklippe so erfolgreich zu umschiffen wie Lilly jüngst in den 10er Jahren, als gleich vier seiner Top-Produkte aus dem Patent liefen. Das lag nicht zuletzt daran, dass der damalige CEO John C. Lechleiter aus der Forschung kam und unbeirrbar an das Potential der eigenen Pipeline glaubte. Ein „nicht versiegender Strom von Innovation“ ist bei Lilly mehr als ein Lippenbekenntnis. Das erste Insulin und den ersten Impfstoff gegen Kinderlähmung ausgeboten zu haben, kann sich die Firma im Rückblick anrechnen, ebenso wie eine führende Rolle auf dem Gebiet der Antibiotika in den 1960er Jahren. In den 1990ern erfolgte mit einem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer und einem atypischen Neuroleptikum ein fulminanter Einstieg in das Indikationsgebiet der Psychiatrie, in den 2010er Jahren mit einem monoklonalen Antikörper zur Behandlung der Schuppenflechte ein Blockbuster auf dem Gebiet der Immunologie. Mit einem Inkretinmimetikum, das inzwischen auch gegen Adipositas zugelassen ist, verschiebt Eli Lilly seinen Schwerpunkt neuerdings wieder auf das angestammte Diabetes-Gebiet.

Die motivierende Kraft der Selbstorganisation

Für die Deutschland-Organisation des Unternehmens wird das zur Konsequenz haben, dass sich die Zahl ihrer rund 1.000 Beschäftigen binnen kurzer Zeit verdoppeln wird. Um nämlich der wachsenden Nachfrage nach Insulinpens und nach inkretin-basierten Medikamenten gerecht zu werden, wird Lilly sein weltweites Produktionswerk ausbauen. Ein neuer Produktionsstandort soll 2027 im rheinhessischen Alzey in Betrieb genommen werden. Dort will das Unternehmen 2,3 Milliarden Euro investieren und Arbeitsplätze für bis zu 1.000 hochqualifizierte Fachkräfte schaffen. „Wir brauchen dort auch hervorragende Führungskräfte“, betonte Horn und warb um die Gunst der jungen Professionals, indem er schilderte, wie Lilly die Grundsätze seines Gründers im Einklang mit der globalen Weiterentwicklung seiner Kultur derzeit in Deutschland zum Leben bringe. Seit 2014 befinde sich Lilly Deutschland auf einer „Transformationsreise“, deren wesentliche Triebkraft eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe sei. „Das bedeutet eine Stärkung der Eigenverantwortung und der Einbindung in die Entscheidungsfindung.“ Lilly wolle eine Atmosphäre schaffen, in der alle Beschäftigten ihre Persönlichkeit authentisch einbringen könnten. Dass das mehr als schöne Worte sind, erläuterte Horn anhand des Kerns dieser Kultur, den selbst-organisierten Teams (SOTs). Damit würden, auch wenn es weiterhin Hierarchien gebe, bisherige hierarchische Strukturen bewusst aufgebrochen. Denn die Gründung solcher Teams hänge nicht von der Geschäftsführung ab. „Jedem Mitarbeiter, der eine Marktlücke, eine Herausforderung oder ein neues Thema entdeckt, stellen wir es frei, ein selbst-organisiertes Team zu gründen und dafür einen Business Plan vorzulegen.“ Idealerweise arbeiten diese Teams abteilungsübergreifend. „Menschen aus verschiedenen Disziplinen, die normalerweise nicht zusammenarbeiten, finden kreativere und innovativere Lösungen.“ Die thematische Spannbreite dieser Teams ist groß. Eines entwickelt derzeit zum Beispiel ein Verfahren zum Recycling der Plastikabfälle von Insulin-Pens. Ein anderes ist sehr groß angelegt und erarbeitet mit 35 Mitgliedern Vorschläge zur digitalen Gesundheitsversorgung, die teilweise bereits so konkret ausgestaltet sind, dass sie von globalen Abteilungen aufgegriffen wurden. Derzeit gebe es 17 SOTs bei Lilly Deutschland, sagte Horn. „Das ist die Zahl, die wir gerade noch managen können.“ Managen heißt in diesem Fall vor allem: Die Arbeitsergebnisse dieser Teams auch tatsächlich in umsetzbare Aktionen münden zu lassen. Und weil die Teams sich als so produktiv erwiesen, sei neuerdings jedem von ihnen ein Mitglied des Leadership-Teams zugeordnet, das diese Umsetzung verantworte.

Positives Denken und Gemeinwohlbilanz

Die Maximen von Augenhöhe und Selbstorganisation hat Lilly Deutschland kürzlich um drei weitere ergänzt, die miteinander zusammenhängen und dabei helfen sollen, typisch deutsche Innovationsbarrieren abzubauen. Die erste dieser Maximen sei es, das sprichwörtliche Glas halbvoll und nicht halbleer zu sehen und nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung zu sein. Die zweite sei es, zu messen, um zu gewinnen – also auf der Basis verlässlicher Daten die richtigen Fragen zu stellen. Drittens schließlich wolle man eine tolerantere Lernkultur entwickeln und Fehler nicht als Ausweis des Scheiterns, sondern als Chance zur Verbesserung begreifen. „Überquere die Brücke, während sie gebaut wird!“, veranschaulichte Horn die Summe dieser drei Maximen positiven Denkens, das ihm während seiner Managerjahre in den USA in Fleisch und Blut übergegangen ist. Umgekehrt könnte die Zentrale in Indianapolis davon lernen, wie stark sich Lilly Deutschland allen drei Aspekten der Nachhaltigkeit verpflichtet weiß. Seit 2017 ist das Unternehmen Mitglied des Vereins Gemeinwohl-Ökonomie und damit die erste Firma der Pharmabranche mit einer zertifizierten Gemeinwohlbilanz. Auch diese Bilanz ist übrigens von einem selbst-organisierten Team entwickelt worden.

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