„Nicht für die Expression im Zellkern optimiert“

In Vektorimpfstoffen wird das Gen für das Spikeprotein manchmal falsch abgelesen

Coronaviren gehören zu der Gruppe von RNA-Viren, die – anders als die Retroviren – keine reverse Transkriptase im Marschgepäck tragen, mit der sie ihre RNA in eine DNA umschreiben, die sie dann im Zellkern der Wirtszelle in deren Genom einklinken, um ihre eigene Vermehrung einzuleiten. Coronaviren replizieren vielmehr im Cytosol, indem sie ihre RNA direkt von den Ribosomen der Wirtszelle in Proteine übersetzen lassen. Aus dieser einfachen Tatsache resultiert mit großer Wahrscheinlichkeit das relativ hohe Risiko später thromboembolischer Ereignisse nach der Verabreichung von Vektorimpfstoffen. Denn diese Vektorimpfstoffe enthalten die RNA-Sequenzen des Spikeproteins von SARS-CoV2 in einer zu DNA umgeschriebenen Form. „Die Natur hat diese Sequenzen nicht dafür optimiert, im Zellkern exprimiert zu werden“, sagte Prof. Rolf Marschalek. „Sie weisen Spleißstellen auf, die zu unerwünschten Spleißereignissen führen können.“ Marschalek präsentierte seine Forschungsbefunde, die er zusammen mit Kollegen aus Ulm gewonnen hat, in einer vom House of Pharma & Healthcare und der Stiftung Arzneimittelsicherheit Beatrix und Dr. Franz Stadler gemeinsam organisierten Online-Veranstaltung.

Vier Vertreter einer neuen Klasse

Alle vier derzeit in Deutschland und Europa zugelassenen Covid-19-Impfstoffe, darauf wies Marschalek nachdrücklich hin, repräsentierten im Gegensatz zu herkömmlichen Impfstoffen, die ein Antigen von außen zuführen, eine „komplett neue Klasse von Impfstoffen, weil sie alle vier dafür sorgen, dass wir selber die Antigene herstellen, die unser Immunsystem triggern“. Mit den erstmals gegen das Ebolavirus entwickelten Vektorimpfstoffen gebe es bei der Prävention von Infektionskrankheiten dabei nur wenig mehr Erfahrung als mit mRNA-Impfstoffen, die ursprünglich als Krebsvakzine konzipiert worden seien. Im Falle von Covid-19 bedienen sich beide Impfstofftypen des Spikeproteins als Antigen. Bei der Herstellung der Impfstoffe von Biontech und Moderna wird dessen mRNA in vitro transkribiert und mit Nanolipidpartikeln umhüllt. Bereits zwei bis drei Tage nach Injektion ist der Impfstoff im Körper komplett abgebaut. Das Transportmedium der Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson sind harmlos gemachte Adenoviren. Für ihre Herstellung wird die RNA des Spikeproteins in eine DNA umgeschrieben, die in das Adenovirusgenom integriert wird. Während die mRNA-Impfstoffe also nicht in den Zellkern gelangen müssen, um ihre Wirkung zu entfalten, können die Vektorimpfstoffe nur dann wirken, wenn die adenovirale DNA in den Zellkern gelangt, um dort dessen Transkriptionsapparat zu nutzen. Erst nach zwei bis drei Wochen sind die Vektorimpfstoffe komplett abgebaut.

Mangelhaften Proteinen auf der Spur

Warum daraus Probleme entstehen können, deckten Prof. Marschalek und seine Arbeitsgruppe in monatelanger Präzisionsarbeit auf. In Zusammenarbeit mit Prof. Sandra Ciesek, der Chefvirologin der Goethe-Universität, hatten sie alle 28 Gene des SARS-CoV2-Virus kloniert. „Als wir in Zellkulturen überprüfen wollten, ob die richtig exprimiert werden, stellten wir zu unserem Erstaunen fest, dass dies nur bei fünf Genen der Fall war.“ Manche ließen sich gar nicht exprimieren, bei vielen ihrer Proteinprodukte waren die elektrophoretischen Banden entweder zu klein oder zu groß. Das kleine E-Protein des Virus zum Beispiel, dessen Molekulargewicht 9,4 Kilodalton beträgt, erschien im Western Blot als 35-Kilodalton-Protein. „Das hat uns darauf gebracht, dass das Spleißen ein Problem sein kann.“

Nachweis unerwünschter Trans-Spleiß-Ereignisse

Bei allen Organismen mit Zellkern ist das Spleißen ein zentraler Vorgang beim Abschreiben eines Gens von der DNA, aus der eine mRNA entsteht, die den Bauplan für das vom Gen codierte Protein ins Cytoplasma trägt. Denn bei weitem nicht alle Teile des Gens sind Exons, die der Proteinexpression dienen. Viele Teile sind gewissermaßen introvertiert, liegen als stumme Introns dazwischen. Diese Introns an vormarkierten Spleißstellen auszuschneiden und die verbleibenden Exons miteinander zu verknüpfen, ist die Aufgabe des Spleißosoms, einer ausgeklügelten molekularen Maschinerie des Zellkerns. Um exportfähig zu werden und die Ribosomen im Cytoplasma effektiv nutzen zu können, muss die mRNA zudem noch an einem Ende mit einer Kappe, am anderen Ende mit einem Schwanz versehen werden. Bei mRNA-Impfstoffen wird das alles schon im Reagenzglas erledigt, bevor sie injiziert werden. Im Falle des viralen Spike-Gens fand Marschalek heraus, dass bei dessen Transkription in ein Gen des Adenovirus „hineingespleißt“ wird, mit dem Ergebnis eines wesentlich größeren Proteins. „Wir haben uns dann mit Kollegen aus Ulm zusammengetan, die adenovirale Experten sind, um solche Spleißereignisse messbar zu machen.“ Ein eingebautes Luciferase-Gen löste bei jedem Spleißvorgang ein messbares Lichtsignal aus. Diese Messungen bewiesen, „dass Wildtyp-SARS-CoV2 spleißen kann“. Das wiederum birgt die Gefahr, dass „Trans-Spleiß-Ereignisse“ stattfinden, bei denen entweder trunkierte Proteine oder Fusionsproteine aus Spike- und Adenovirusgenom entstehen. Ein britischer Forscher habe gezeigt, dass dies beim AstraZeneca-Impfstoff immerhin in 1,14 Prozent aller Transkriptionen geschehe. Johnson und Johnson verzeichne deutlich weniger solcher Ereignisse, weil es für seinen Impfstoff die Spike-Protein-DNA vorsorglich entsprechend verändert habe. „Die waren sich dank der Erfahrungen mit ihrem Ebola-Impfstoff des Problems bewusst.“

 

 Das Risiko löslicher Bruchstücke

Korrekt transkribierte und translatierte Spike-Proteine werden von Rezeptoren auf der Oberfläche bestimmter Immunzellen als Antigen präsentiert, um die Bildung von Antikörpern anzuregen. Durch irrtümliche Spleißereignisse entstandene Spike-Proteinvarianten können dagegen als lösliche Bruchstücke im Blut zirkulieren. Gefährlich wird das, „wenn diese löslichen Proteine noch die ACE2-Bindestelle tragen, die natürlich in Blutgefäßen an die ACE2-Rezeptoren von Endothelzellen binden können“, erläuterte Marschalek seine Hypothese. „Denn sobald nach der Impfung Antikörper gegen das Spike-Protein gebildet werden, können sich an diesen Bindungsstellen Immunkomplexe bilden, die wie Kristallisationspunkte für ortsspezifische thrombo-embolische Ereignisse wirken.“ Die relativ lange Halbwertszeit der Vektorimpfstoffe trage zu diesem Risiko erheblich bei, weil die Anwesenheit des Impfstoffs sich entsprechend lange mit der von Antikörpern überlappt. Marschalek betonte allerdings, dass mehrere Faktoren zusammentreffen müssten, damit lösliche Spikeproteine an ACE2-positiven Endothelzellen gefährlich werden, was immer noch relativ selten der Fall sei. Dennoch sei eine Inzidenz von einer Thrombose auf 80.000 Impfungen, wie sie der AstraZeneca-Impfstoff aufweise, zu viel. Insgesamt aber sei der das Covid-19-Risiko minimierende Effekt dieser Impfung höher zu bewerten als dessen Risiko später Thrombosen.

 

Zurück