Wie die Idee eines Arztes zur rettenden Innovation wurde

Erfolgsbeispiel einer schnellen Translation am Frankfurter Universitätsklinikum

Graft-versus-Host (GvH)-Reaktionen sind häufige Komplikationen nach Knochenmarks- oder Stammzelltransplantationen mit oft tödlichem Ausgang. Dabei bekämpfen die von einem Spender übertragenen T-Lymphozyten in einer immunologisch begründeten Abwehr den Organismus des Empfängers. Immunsuppressiva reichen nicht immer aus, um diesen Kampf zu beenden und die betroffenen Patienten zu retten. In diesen Fällen kann sich eine Therapie mit besonderen immunmodulierenden Zellen als wirksam erweisen, die von Prof. Peter Bader und seinem Team am Universitätsklinikum Frankfurt erfunden wurde. Wie es ihm gelang, diese Erfindung in eine medizinische Innovation zu verwandeln, die von der Firma Medac als Spezialpräparat angeboten wird, schilderte er ihm Gespräch mit Prof. Manfred Schubert-Zsilavecz beim Hauptstadtsummit des House of Pharma und Healthcare. Weitere Gesprächspartner auf dem Podium waren Dr. Martin Raditsch, Geschäftsführer von Innovectis, einer dem Technologietransfer gewidmeten Tochter der Goethe-Universität; Dr. Markus Pietsch, Vice President Therapeutic Area Oncology der Firma Medac; sowie Prof. Jochen Maas, Geschäftsführer Forschung & Entwicklung von Sanofi-Aventis Deutschland. 

Stammzelltherapie von der Pike auf gelernt

Peter Bader ist Kinderarzt. Täglich erlebt er das Leid und die Verzweiflung seiner blutkrebskranken Patienten und deren Eltern. Aus dieser Not heraus suche er wie alle seine Kollegen immer weiter nach optimalen Behandlungsmethoden. Er habe das Glück gehabt, Schüler von Rainer Storb zu sein, der einer der engsten Mitarbeiter von E. Donnall Thomas war, der 1990 für seine Erfindung der Transplantation von Stammzellen aus dem Knochenmark zur Behandlung der Leukämie eine Hälfte des Nobelpreises für Medizin oder Physiologie erhielt. So habe er die Stammzelltherapie von der Pike auf gelernt und sich in seiner Forschung stets von seinen Erfahrungen am Krankenbett leiten lassen.

Bader wusste, dass es eine bestimmte Art von Zellen gibt, die als Immunmodulatoren GvH-Reaktionen abmildern, die mesenchymalen Stromazellen (MSC). Je nachdem, von welchem Spender diese Stromazellen stammten, wirkten sie aber mal mehr und mal weniger zuverlässig. Sie waren nicht standardisiert einsetzbar. „Da kam uns die Idee, die Stromazellen von vielen Spendern zu mischen und zusammen zu expandieren. Dabei haben sich diese Zellen gegenseitig stimuliert und eine stärkere Potenz entwickelt.“ Dank dieser Methode – der MSC-FFM-Präparation – konnten in Zusammenarbeit mit dem Blutspendedienst stabile und gleichförmig reproduzierbare Chargen von MSC-Präparaten mit starken immunmodulatorischen Eigenschaften hergestellt werden, die therapeutisch effektiv anwendbar sind. Für die Behandlung ihrer eigenen Patienten erwirkten Bader und seine Mitarbeiter, unterstützt vom LOEWE-Zentrum für Zell- und Gentherapie, eine Ausnahmegenehmigung nach § 4b des Arzneimittelgesetzes beim Paul-Ehrlich-Institut und zeigten ihre Erfindung als Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NuB) beim Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) an. Wie aber sollten sie ihr Präparat zur Marktreife bringen, so dass es Patienten in ganz Deutschland und Europa helfen könnte? 

Kein Partner ohne Erfindungsmeldung!

Hier kam Innovectis ins Spiel, die Technologietransfergesellschaft der Goethe-Universität. Denn Peter Bader hatte seinem Arbeitgeber eine Erfindungsmeldung angezeigt. „Leider kommen besonders Ärzte zu selten auf die Idee, eine solche Meldung abzugeben, die dann in ein Schutzrecht mündet“, sagte Martin Raditsch. „Aber nur so kann es gelingen, einen Entwicklungspartner aus der Industrie zu finden, der ihre Erfindung aus dem Labor ans Patientenbett bringt.“ In der Medizin gebe es „in den meisten Fällen einen Cut am Ende der Präklinik, dann heißt es, unternehmerische Partner zu finden, aber je größer die Pharmafirma ist, desto größer muss der Markt sein, desto später wird eingekauft, da sehen wir im universitären Kontext eine große Hürde“. Selbst mit Schutzrecht sei es kein Selbstläufer gewesen, die Translation von Baders Erfindung zu bewältigen. „Ein Start-up hätte das nicht geschafft, zum Glück waren wir uns mit Medac relativ schnell handelseinig“, sagte Raditsch. „Ich könnte aber auch viele Beispiele nennen, wo es nicht funktioniert hat.“

Als Spezialist für Hämatologie habe Medac einen guten Draht zu hämatologischen Zentren, sagte Markus Pietsch. Wenn von dort ein Produktkandidat zur klinischen Entwicklung angeboten werde, prüfe man ihn nach verschiedenen Kriterien. „In diesem Fall kam es einem Gütesiegel gleich, dass das Paul-Ehrlich-Institut dem Präparat bereits eine Ausnahmegenehmigung erteilt hatte.“ Dennoch habe man den Business Case für die Entwicklung dieses Präparates äußerst sorgfältig kalkulieren müssen: Wie viele Patienten sind von der Erkrankung betroffen? Wie viel müssen wir für die klinische Entwicklung investieren? Zu welchem Preis sollten wir das Arzneimittel nach seiner Zulassung anbieten? „Big Pharma wäre an der Entwicklung eines Produktes, das in Europa einen Umsatz von unter 50 Millionen Euro generieren wird, nicht interessiert gewesen“, sagte Pietsch. „In unser Portfolio passte es aber.“ Denn als mittelständisches deutsches Unternehmen, das nach Europa ausgreife, engagiere sich Medac auch in Indikationen mit wenigen Patienten, um seine Expertise in seinen Spezialgebieten zu profilieren. Derzeit wird das inzwischen unter dem Markennamen Obnitix® zugelassene Spezialpräparat zur Behandlung stammzelltransplantierter Patienten mit GvH-Reaktionen noch ausschließlich vom Blutspendedienst des Universitätsklinikums Frankfurt hergestellt. Nach Abschluss der europäischen Entwicklung will Medac noch einen zweiten Produktionsstandort aussuchen. Ausdrücklich lobte Pietsch den „extrem guten Austausch“ zwischen Medac und Prof. Bader und seinem Team während der klinischen Entwicklung. Von der Politik wünsche er sich mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung dafür, dass auch ein Mittelständler lebenswichtige medizinische Innovationen entwickeln könne. 

Wunsch nach einem Inkubator für den Technologietransfer

„Diese Zusammenarbeit zwischen Akademia und Industrie brauchen wir zur Lösung aller großen medizinischen Probleme“, kommentierte Jochen Maas. Die meisten innovativen Ideen kämen heute tatsächlich nicht mehr aus der pharmazeutischen Industrie. „Aber eine Idee wird erst dann zu einer Innovation, wenn sie den Patienten erreicht. Und diesen langen Weg können wir gemeinsam viel schneller beschreiten als es einem allein möglich wäre“. Auf drei Vorzüge der Industrie wies Maas in diesem Zusammenhang besonders hin: Ihre Exzellenz in der medizinischen Chemie zur Umsetzung einer Idee in ein Molekül, ihr Vermögen, kostspielige klinische Entwicklungen zu finanzieren, sowie ihre Erfahrungen im Umgang mit internationalen Zulassungsbehörden. Insgesamt habe sich die Zusammenarbeit zwischen Akademia und Industrie zwar deutlich verbessert, sei aber noch längst nicht frei von Vorurteilen. Um diese abzubauen, sei es optimal, Forschende aus beiden Bereichen in einem Labor zusammenarbeiten zu lassen, wie Sanofi und Fraunhofer das einmal praktiziert hätten. „Das wäre auch in einem Inkubator für naturwissenschaftlich-pharmazeutische Produktions- und Behandlungsmethoden möglich“, ergänzte Martin Raditsch. „Ein solcher Inkubator fehlt uns.“

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