Fokus, Partnerschaft, Diversität

 Die Chefin von Merck Healthcare verfolgt eine klare Strategie

Als Belén Garijo, seit 2015 Mitglied der Geschäftsleitung und CEO Healthcare der Merck KGaA, vor sieben Jahren nach Darmstadt kam, befand sich das Unter nehmen in einer kritischen Situation. Seit langem hatte es kein bedeutendes neues Medikament mehr auf den Markt gebracht. „Wir mussten unsere Strategie und unsere Unternehmenskultur überdenken", sagte Garijo bei der Jahrestagung des House of Pharma & Healthcare im Gespräch mit ZEIT-Redakteurin Lisa Nienhaus. Wenngleich das Familienunternehmen Merck mit seiner 350-jährigen Tradition das älteste Pharmaunternehmen der Welt sei, verharre es keineswegs in vergangenen Denkmustern. „Ich fand dort den starken Wunsch zu einer entschlossenen Evolution vor, die den Anforderungen der Zukunft gerecht wird." Zusammen mit ihrem Chef Dr. Stefan Oschmann, damals in ihrer heutigen Position und inzwischen CEO der Merck-Gruppe, habe sie deshalb eine Strategie entwickelt, deren tragende Säulen Fokussierung und Partnerschaft seien, und eine Unternehmenskultur befördert, in deren Zentrum die Wertschätzung von Diversität stehe.

„Uns wurde schnell klar, dass wir zwar eine sehr starke Forschungspipeline hatten, unsere Entscheidungsprozesse aber nicht gut genug organisiert waren, um die besten Forschungsprojekte erfolgreich zu einem zugelassenen Arzneimittel zu entwickeln." Zuvor sei Merck vor allem über Akquisitionen gewachsen und zu sehr mit dem LifeCycle Management bereits vermarkteter Produkte beschäftigt gewesen. “Was wir aber brauchten, war Nachschub an hochinnovativen Molekülen.“ Um die wissenschaftliche Exzellenz des Unternehmens voll auszuschöpfen, sei es folglich notwendig gewesen, Pipeline-Entscheidungen „sehr streng, ich würde sogar sagen schonungslos", zu treffen. Es sei unvermeidbar, dass Forscher ihren Projekten gefühlsmäßig stark verhaftet seien. Diese Leidenschaft sei für den Forschungserfolg essentiell und sollte von der Unternehmensleitung unterstützt werden. Man müsse originellen Ideen seiner Forscher sorgfältig zuhören und ihnen auch Freiraum für zufällige Entdeckungen lassen. „Entscheidend ist es aber, ihnen gleichzeitig den Wecker zustellen und klare Kriterien dafür vorzugeben, wann ein Projekt grünes Licht für seine nächste Entwicklungsstufe bekommt und wann nicht.“ Diese Kriterien habe man 2013 mit einer Konzentration auf die drei Kernarbeitsgebiete Onkologie, Immunonkologie und Immunologie verbunden, was das Ende für die allermeisten Projekte in anderen Indikationsgebieten bedeutet habe. „Wir stoppten damals 90 Prozent unserer Projekte in der klinischen Entwicklung.“

INNOVATIVE KOOPERATIONSMODELLE AUCH MIT GESUNDHEITSBEHÖRDEN 

Pharmaunternehmen, die sich auf bestimmte Indikationsgebiete spezialisierten, spielten ihre Stärken erfahrungsgemäß wesentlich besser aus als andere und brächten ihre innovativen Medikamente schneller zum Patienten. Dabei dürften sie sich aber nicht allein auf internes Knowhow verlassen. Ratsam sei es vielmehr, die Expertise der Scientific-Community in die eigenen Entscheidungen einzubeziehen– alleine schon deshalb, um die Erfolgsaussichten der eigenen Projekte objektiv beurteilen zu können, aber auch, um die eigene Pipeline zu ergänzen und die eigene technologische Basis zu stärken. So pflegt Merck zahlreiche Partnerschaften im akademischen Bereich, ist aber zum Beispiel für die Entwicklung von Checkpoint-Inhibitoren für die Immuntherapie von Krebs auch eine wegweisende Partnerschaft mit dem Konkurrenten Pfizer eingegangen. Neuartige Kooperationen strebt Merck auch mit den Kostenträgern im Gesundheitswesen an. So einigte man sich mit dem britischen National Health Service schon während der klinischen Entwicklung eines Medikamentes zur Behandlung der Multiplen Sklerose auf eine Teilung des Kostenrisikos, wodurch es in Großbritannien eine beschleunigte Zulassung erfuhr. Merck verspricht, dass nach zweijähriger Behandlung mit dem Präparat die Krankheit weitere zwei Jahre unter Kontrolle bleibt. Sollte ein Patient in diesem Zeitraum dennoch einen Rückfall erleiden, übernimmt das Unternehmen  die Behandlungskosten. Merck sei ein Unternehmen, das Diversität lebt, betonte Belén Garijo. Es fördere alle Talente unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer Herkunft. Als eine besondere Aufgabe sehe sie es an, jungen weiblichen Talenten zu helfen, nicht mit den Widerständen kämpfen zu müssen, die Frauen ihrer Generation erlebt hätten. „Meine wichtigste Botschaft ist: Eine Familie zu gründen und Karriere zu machen ist kein Widerspruch. Dafür sorgen verantwortungsvolle Unternehmen wie unseres durch flexible Arbeitsbedingungen, die private und professionelle Prioritäten miteinander versöhnen.“

 

 

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