Ärztefortbildung: Ein schmaler Grat

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Bei der Jahrestagung des House of Pharma wurde über Sponsoring und Interessenkonflikte diskutiert

 

In welcher Form können und dürfen Pharmaunternehmen zur Fortbildung von Ärzten beitragen? Seit dem Inkrafttreten des Antikorruptionsgesetzes im Juni 2016 hat diese seit jeher polarisierende Frage an Brisanz gewonnen. Auf Einladung von Janssen Deutschland wurde diese Frage bei der 6. Jahrestagung des House of Pharma & Healthcare kontrovers diskutiert, moderiert von Dr. Daniel Geiger von der gleichnamigen Kanzlei für Gesundheitsrecht.

Die Rechtslage kurz umreißend, erinnerte Geiger zunächst an die Ärztliche Fortbildungspflicht. In § 32 der Musterberufsordnung sei „die Annahme von Beiträgen Dritter zur Durchführung von Veranstaltungen (Sponsoring)“ unter bestimmten Bedingungen ausdrücklich erlaubt. Auch die neuen Antikorruptionsparagraphen 299ff. des Strafgesetzbuches (StGB) verböten das Fortbildungssponsoring nicht, wenngleich sie ihm klare Grenzen setzten. Einzig im Bundesland Thüringen beschreite die Staatsanwaltschaft offenbar einen „Sonderweg“, und gehe vom „Anfangsverdacht strafbaren Verhaltens nach § 299a StGB“ aus, „wenn die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung von der Industrie finanziert wird.“

Gefahr des „verzerrten Urteils“

Ärztefortbildung sei umso besser, je größer die Distanz zur Industrie sei, sagte Professor David Klemperer, Sozialmediziner an der Universität Regensburg. Nicht Interessenkonflikte seien das eigentliche Problem, sondern das, was daraus folge, nämlich das „verzerrte Urteil“, sagte Klemperer. „Es führt im Bereich von Arzneimitteln dazu, dass der Nutzen eines Medikamentes überschätzt, die Risiken dagegen unterschätzt werden, manchmal zum Schaden des Patienten.“ Beispielhaft habe sich das an dem Blutzuckersenker Rosiglitazon gezeigt, der 2010 wegen einer Erhöhung der kardiovaskulären Mortalität vom Markt genommen wurde. Trotz seit 2007 vorhandener Warnzeichen hätten einer Studie des British Medical Journal zufolge Autoren mit Interessenkonflikt dieses Medikament weiterhin positiv eingeschätzt. So führe auch der Besuch von gesponserten Fortbildungsveranstaltungen nachweislich zu höheren Verschreibungskosten und geringerer Verschreibungsqualität. In die medikamentenbezogene Fortbildung müssten Vergleichstherapien einbezogen werden.

„Wir dürfen nicht das falsche Signal setzen, dass wir mit der Industrie nichts zu tun haben wollen“, betonte Peter Kalb, Rechtsreferent der Bayerischen Landesärztekammer. Der Arzt stehe nun einmal im Zentrum des Gesundheitswesens und deshalb im Fokus vieler Interessen. „Wettbewerb und Imagewerbung sind nichts Schändliches.“ Selbstverständlich dürften keine Geschenke angenommen werden, „die berühmten Winterreifen für den Hausarzt, damit er auch sicher zum Patienten fahren kann, gibt es längst nicht mehr“. Im Übrigen müsse man das Thema in die richtige Relation rücken: In Bayern zum Beispiel habe es von Januar bis August 2017 56.000 nicht gesponserte Ärztefortbildungen gegeben. „Nicht einmal drei Prozent aller Veranstaltungen werden bei uns von der Industrie gesponsert.“

Kompetenz der Industrie derzeit unersetzbar

Sein Unternehmen sei in Spezialgebieten unterwegs, sagte Dr. Klaus Weber, Mitglied der Geschäftsleitung von Janssen Deutschland, und habe darin eine besondere Expertise. „Wir betreiben ärztliche Fortbildung nur in den Bereichen, in denen wir Kompetenz haben. Wir machen das, weil es jemanden geben muss, der in neuen Indikationen in der Tiefe Fortbildung anbietet. Wer sollte das sonst tun?“ Derzeit seien keine Anbieter in Sicht, die die Rolle der Industrie übernehmen könnten. Janssen unterscheide streng zwischen Produktinformations- und Fortbildungsveranstaltungen und nehme bei letzteren keinen inhaltlichen Einfluss auf die Referenten. Über die Inhalte entscheide für jedes Indikationsgebiet ein unabhängiger ärztlicher Beirat.

In der anschließenden Diskussion wies David Klemperer darauf hin, dass Ärzte bisher nicht darin ausgebildet seien, klinische Studien kritisch zu lesen. Auch müssten sie lernen, statistische Zahlen richtig zu interpretieren. „Ich sehe nur positive Gestaltungsmöglichkeiten, wenn die Ärzteschaft ihre Fortbildung autonom nach ihren Lernbedürfnissen gestaltet.“ Ein Industrieforscher aus dem Publikum hielt dagegen, dass es nicht angebracht sei, Wissenschaftlern aus der Industrie von vorneherein die Seriosität abzusprechen.

„Wir informieren im Rahmen unserer Fortbildung nicht nur über unsere Produkte“, betonte Klaus Weber. Aber sei es nicht das eigentliche Ziel der Fortbildung durch die Industrie, Ärzte zum Verschreiben ihrer Produkte zu bewegen? fragte David Klemperer: „Was machen Sie, wenn Sie nur das zweit- oder drittbeste Produkt haben?“ Für solche Bewertungen gebe es nur „sehr selten Evidenz“, entgegnete Weber. Entscheidend sei doch der individuelle Patient. „Wir möchten, dass unsere Medikamente, wenn sie eingesetzt werden, möglichst optimal eingesetzt werden.“

Peter Kalb machte in diesem Zusammenhang noch einmal den Qualitätsmaßstab der Ärztekammern deutlich: „Wir zertifizieren keine Veranstaltung, in der es nur um Produktinformationen geht. Zertifizierte Fortbildung heißt: Produktneutrale Darstellung des Status quo in der Patientenbetreuung.“

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