Umstrittener Biosimilar Austausch in Apotheken

Experten mahnen einhellig eine Nachbesserung des GSAV an

Biosimilars sollen nach dem Willen des Bundesgesundheitsministeriums schneller in die Versorgung kommen. Entsprechende Rahmenbedingungen schafft das Mitte August 2019 in Kraft getretene Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV). Inwiefern diese Regelungen sinnvoll sind, diskutierte ein interdisziplinäres Expertengremium in dem von Mundipharma Deutschland unterstützten Workshop „Biosimilar-Agenda 2022: Leuchtturm oder Irrlicht?“. Dr. Nadja Tafferner, Managerin Governmental Affairs Mundipharma, stellte einleitend fest, dass Biosimilars als therapeutische Alternative zu Original-Biologika seit ihrer Einführung vor rund zehn Jahren in der Patientenversorgung zunehmend an Relevanz gewonnen hätten. Das habe zu Einsparungen bei den Kostenträgern geführt. Durch eine Ergänzung des Fünften Sozialgesetzbuches im § 129 (Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung) eröffne das GSAV aber nun von August 2022 an die Möglichkeit, den automatischen Austausch „von biologischen Referenzarzneimitteln durch im Wesentlichen gleiche biotechnologisch hergestellte biologische Arzneimittel“ durch Tenderverträge zu erzwingen. Eine solche Regelung, die der zu Generika entspreche, sei bei der Diskussion des GSAV im Vorfeld seiner Verabschiedung bei Experten auf breite Ablehnung gestoßen.

Biosimilars seien keinesfalls mit Generika gleichzustellen, seien sie doch biotechnologisch hergestellte Arzneimittel, die in lebenden Zellen produziert würden, erläuterte Dr. Steffen Groß, der am Paul-Ehrlich-Institut das Fachgebiet monoklonale und polyklonale Antikörper leitet. Der Zulassungsprozess der Europäischen Arzneimittelagentur EMA sei daher aufwändig reglementiert. Eine EMA-Zulassung garantiere eine zum Original vergleichbare Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit. Dass ein Austausch, wie er in der Apotheke mit Generika stattfindet, nicht analog auf Biologika übertragbar sei, erklärte Dr. Groß und wies besonders auf die Pharmakovigilanz und die dafür erforderliche Nachverfolgbarkeit hin. Dr. Christian Stallberg (Novacos Rechtsanwälte) sah Haftungsfragen bei der automatischen Substitution als ungeklärt. Er führte aus, dass der Austausch von Biologika in der Apotheke einen erheblichen Eingriff in die Therapieauswahl des Arztes und eine Verschiebung seiner Verantwortung auf Apotheker bedeute.

Die Verantwortung sollte beim Arzt bleiben

Ärzte tauschten heute bereits vielfach ohne Probleme Original-Biologika durch Biosimilars aus, betonte Dr. med. Wolfgang LangHeinrich, Vorstandsberater der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen. Die Arzneimittelvereinbarungen der KVen generierten hohe Einsparungen im Gesundheitssystem. Selbstverständlich klärten informierte Vertragsärzte ihre Patienten ausführlich über eine eventuelle Substitution mit Biosimilars auf, um deren Akzeptanz dafür zu gewinnen. Weil der Austausch von Original-Biologika auf der Arztebene so gut etabliert sei, bedürfe es keiner automatischen Substitution in Apotheken.

Am Beispiel jüngst eingeführter Biosimilars wird ersichtlich, dass Biosimilars sehr schnell in der Versorgung ankommen, der Wettbewerb funktioniert und Kassen beträchtliche Einsparungen erzielen. Weiterer Regulierungsmechanismen wie der automatischen Substitution, wie im GSAV vorgesehen, bedarf es laut der Experten daher nicht.

Ebenfalls bestand Konsens, dass das Gesetz eine Reihe von Fragen aufwirft: So seien die Sicherstellung der Patientenaufklärung, die Verhinderung einer „wilden und unkontrollierten Substitution“ zwischen Original und mehreren Biosimilars, die Dokumentation des abgegebenen Präparates und die medizinische Nachbeobachtung nicht ausreichend geregelt. Das deckt sich mit der Position zahlreicher Fachgesellschaften und -verbände: Die Verantwortung für eine Substitution von Original-Biologika durch Biosimilars sollte weiterhin in der Hand des behandelnden Arztes liegen.

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