Pandemie stärkt das Vertrauen in die Wissenschaft

Die Bundesforschungsministerin bekräftigt bei der Digital Week des House of Pharma ihren Wunsch nach einer pharmazeutischen Innovationsagentur

Wissenschaft und Forschung sind nach den Worten von Bundesforschungsministerin Anja Karliczek „durch die Pandemie in die Mitte der Gesellschaft gerückt“. Dementsprechend sei in der Bevölkerung, wie aktuelle Umfragen zeigten, „das Vertrauen in die Wissenschaft massiv gestiegen“. Das liege auch daran, dass es der biomedizinischen Wissenschaft und insbesondere einigen ihrer Exponenten sehr gut gelungen sei, während der akuten Phase der Corona-Krise „jeden Schritt, den sie machten, zu kommunizieren, mit allen damit verbundenen Unsicherheiten und Missverständnissen“. Das bedeute für sie „einen riesigen Fortschritt in der Wissenschaftskommunikation“, denn diese beschäftige sich normalerweise nur mit Ergebnissen, lasse die Öffentlichkeit aber kaum an ihren Erkenntniswegen teilhaben, sagte Karliczek im Gespräch mit ZEIT-Redakteur Martin Spiewak bei der Digital Week des House of Pharma und Healthcare.

 

Wissenschaftsjournalismus soll gestärkt werden 

Dass Forschung „Learning by Doing“ mit unterschiedlichen Herangehensweisen und vielfältigen Perspektiven sei, von der man nicht sofort und ohne weiteres widerspruchsfreie Resultate erwarten und für die es nicht einen eindeutigen Weg geben könne, sei den Menschen während des Lock-Downs und danach bewusster geworden denn je. Natürlich bringe dieser Prozess eine Vielzahl widersprüchlicher Stimmen mit sich, aber das entspreche dem Wesen der Wissenschaft. An der Schnittstelle zwischen ihr und den Bürgerinnen und Bürgern sei es die Aufgabe des Wissenschaftsjournalismus, komplexe Zusammenhänge verständlich zu machen und divergierende Befunde zu bewerten und einzuordnen. „Deshalb untersuchen wir im Ministerium intensiv, welche Möglichkeiten es gibt, den Wissenschaftsjournalismus weiter zu stärken“, betonte Karliczek. 

Impfstoff ist nur ein Aspekt der Krisenbewältigung 

Zuversichtlich zeigte sich die Ministerin mit Blick auf die Entwicklung eines Impfstoffs gegen das neue Coronavirus. Sie rechne damit, dass Mitte nächsten Jahres in Deutschland mit der Impfung der gesamten Bevölkerung begonnen werden könne, mit der Impfung bestimmter Bedarfs- und Risikogruppen eventuell sogar schon Anfang 2021. Karliczek verteidigte dabei die finanzielle Unterstützung der am Impfstoff-Rennen beteiligten deutschen Firmen durch den Staat. „Wir müssen mit dem Impfstoff schnell vorankommen und den Aufbau von Kapazitäten für die klinische Prüfung und die Produktion unterstützen.“ Abgesehen davon gehöre Start-up-Förderung auch in anderen Bereichen generell zu den Aufgaben des Bundesforschungsministeriums.

 

Die Entwicklung eines Impfstoffs sei aber nur ein Aspekt der Bewältigung der Coronakrise. „Im Moment muss sich eine ganze Gesellschaft fragen, wie stellen wir uns neu auf, damit wir für eine zweite Welle oder die nächste Pandemie gerüstet sind“, sagte die Ministerin. „Die Welt wächst immer weiter zusammen und wir müssen davon ausgehen, dass solche Pandemien auch in Zukunft vorkommen können.“ Vor diesem Hintergrund müssten „all unsere Mechanismen und all unsere Arbeitsweisen“ auf den Prüfstand gestellt werden. Dafür lohne es sich, Fördergelder aus vielen Töpfen bereit zu stellen.

 

Der Translation auf die Sprünge helfen

Die Geschwindigkeit, mit welcher Behörden, Forschungseinrichtungen und Unternehmen derzeit in enger Zusammenarbeit an der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs arbeiteten, wollten sie und ihr Haus versuchen, auch auf andere Bereiche der Pharmaforschung und -entwicklung zu übertragen, sagte die Ministerin. Um die Translation von Ergebnissen aus der präklinischen Grundlagenforschung in die klinische Entwicklung bis hin zum zugelassenen und anwendbaren Medikament zu beschleunigen, habe sie deshalb kürzlich die Idee einer pharmazeutischen Innovationsagentur ins Spiel gebracht.  Wie die 2006 gegründete US-amerikanische Biomedical Advanced Research and Development Authority (BARDA) könnte diese als Schnittstelle zwischen der Regierung und der pharmazeutischen Industrie dienen, um die Entwicklung von Arzneimitteln zu fördern und sicherzustellen, die für die öffentliche Gesundheit von großer Bedeutung seien, aber außerhalb von Krisenzeiten wenig wirtschaftliches Potential hätten. Die Verwirklichung einer solchen Innovationsagentur müsse natürlich im europäischen Rahmen erfolgen, „aber wir können in Deutschland dazu einen wichtigen Beitrag leisten und schon einmal vorangehen“.

Ein lohnendes Zusammenspiel

Der permanente Austausch mit der Wissenschaft werde für die Politik immer wichtiger, unterstrich die Ministerin. Auch deshalb sei man in ihrem Haus dazu übergegangen, bei wichtigen Pressekonferenzen Wissenschaftler mit aufs Podium zu bitten. Insgesamt habe sich während der Corona-Krise gezeigt, wie sehr alle Ressorts der Bundesregierung auf einen engen Austausch mit der Wissenschaft und ihren verschiedenen Disziplinen angewiesen seien. So versichere man sich beispielsweise immer wieder des Rates und der Expertise der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. „Wir sind in Deutschland bisher so gut durch die Krise gekommen sind, weil wir ein so gutes Zusammenspiel zwischen Wissenschaft und Politik haben. Dass wir so offen kommuniziert haben, hat der gesamten Gesellschaft gutgetan, und darf von meiner Seite gerne so weitergehen.“

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