„Digitalisierung hilft, die Spreu vom Weizen trennen“

Bei der Jahrestagung des House of Pharma thematisierte der CEO von Roche leistungsbezogene Preisdifferenzierung

Als Dr. Christoph Franz nach einer fast 25-jährigen Karriere bei Flug- und Bahnunternehmen 2014 den Vorstandsvorsitz der Lufthansa aufgab und die Präsidentschaft des Verwaltungsrates der Roche Holding AG annahm, wurde das allgemein als Überraschung empfunden. Einen Wechsel aus der Transport- in die Pharmabranche auf der obersten Führungsebene gibt es nicht alle Tage. Bei der Jahrestagung des House of Pharma & Healthcare verglich Franz im Gespräch mit Moderatorin Claudia Wüstenhagen beide Branchen bezüglich ihres digitalen Entwicklungsstandes.

„Die Transportbranche hat schon sehr frühzeitig begonnen, ihre komplizierten logistischen Netzwerke digital zu organisieren“, sagte er. Sie sei der Pharmabranche in Sachen Digitalisierung weit voraus. Als markantes Beispiel nannte er die Bedeutung der rechnergesteuerten Preisbildung. „Große Transportunternehmen müssen nicht nur jede Nacht tausende von Preisen in ihren Systemen ändern“, erklärte Franz. „Sie müssen auch prüfen, welche Preise ihre Wettbewerber aktuell auf welchen Strecken anbieten. Um sich nicht unterbieten zu lassen, versuchen sie umgekehrt, die Wettbewerber zu identifizieren, die in ihrem System Preise abfragen, um diesen dort womöglich falsche Preise anzuzeigen.“

Eine derart „ausgefallene Preisfindung“ sei im Pharmabereich natürlich undenkbar. Dort stehe man noch ganz am Anfang einer Preisdifferenzierung. Immer stärker aber kämen auch für Arzneimittel „Pay for Performance“-Modelle in die Erprobung, die im Sinne einer besseren Versorgungsqualität darauf abzielten, den Herstellern nur noch dann Geld für ihre Medikamente zu zahlen, wenn die Patienten davon auch tatsächlich profitierten. Um diese Wirksamkeit an Hand definierter Kriterien beurteilen und abrechnungsrelevant feststellen zu können, müsse man sie akkurat messen. „Das ist eine neue Welt, die sich dort auftut, und es wird noch eine Zeit dauern, die dafür notwendigen digitalen Systeme zu implementieren.“

Steigende Preise als Innovationssignal

Werde die Digitalisierung also zu sinkenden Medikamentenpreisen führen? wollte Wüstenhagen wissen. „Die Medikamente werden mit Sicherheit nicht günstiger, sondern wahrscheinlich teurer werden“, entgegnete Franz. „Aber Pay for Performance wird bei den Wirkstoffen die Spreu vom Weizen trennen. Nur wer nachweislich wirksame Medikamente anbietet, wird eine Innovationsprämie bekommen.“ Insofern werde sich eher die Struktur des Arzneimittelmarktes ändern, als dass die Medikamente allgemein preiswerter würden. Im Übrigen gebe es für Patienten keine bessere Nachricht, als dass die Ausgaben für die Medikamente in einem Indikationsgebiet anstiegen. „Denn die Preise steigen besonders dort, wo viel Innovation herrscht.“ In Indikationsgebieten, wo die Medikamente sehr günstig sind, fehle es dagegen meist an therapeutischem Fortschritt.

Die gesellschaftlich relevante Frage, so Franz, sei deshalb eine ganz andere, nämlich: „Geben wir im gesamten Gesundheitswesen zu wenig oder zu viel Geld aus?“ Viel zu wenigen Menschen sei bewusst, dass Arzneimittel nur rund 15 Prozent der gesamten Gesundheitskosten ausmachten. Zwar könne die Pharmabranche also „ihr Scherflein beitragen“. „Alleine aber können wir die Probleme im Gesundheitswesen damit nicht lösen.“