Die Digitalisierung wird unser Leben positiv verändern

Kanzleramtsminister Dr. med. Helge Braun sieht gute Perspektiven für Patienten und Ärzte

„Die Digitalisierung wird unser Leben positiv verändern“, sagte Kanzleramtsminister Professor Helge Braun im Gespräch mit Andreas Lebert von der ZEIT, zu dem er der Jahrestagung des House of Pharma & Healthcare in digitaler Übertragung aus Berlin zugeschaltet war. Er wisse wohl um die Sorgen um Arbeitsplätze oder Selbstbestimmung, die viele Menschen mit der fortschreitenden Digitalisierung verbänden, denke aber, dass diese Sorgen ausgeräumt werden könnten, wenn sich alle Verantwortlichen an der Maxime orientierten, die seine Vorrednerin Professorin Kristina Sinemus, die Hessische Staatsministerin für Digitale Strategie und Entwicklung, soeben in den Mittelpunkt ihrer Keynote gestellt habe: „Die Digitalisierung muss dem Menschen dienen – und nicht umgekehrt!“ In dieser Hinsicht sei besonders die Medizin ein Bereich, „der in den nächsten Jahren Riesenfortschritte machen wird“, prognostizierte der Arzt Helge Braun, der vor seiner politischen Karriere in der Intensivmedizin arbeitete.

„Die große Musik in der Medizin liegt in der treffgenauen Analyse von Befunddaten.“ Das beginne bei der Interpretation von Röntgen- und Tomographiebildern mit Hilfe künstlicher Intelligenz, erstrecke sich aber schon weit darüber hinaus. „In der Intensivmedizin zum Beispiel haben wir heute alle Daten aus Bildgebung, Labor, Operationssaal digital vorliegen. Wenn wir die in der Analyse zusammenführen, können wir diagnostisch Differenzierungen treffen, die uns noch vor 10, 15 Jahren kaum möglich waren. Das eröffnet uns auch in der patientenspezifischen Therapie ganz andere Ansätze als bisher.“

Sichere Gesundheits-Telematik kommt jetzt bald

Das klinge sehr gut, sagte Lebert, aber sei nicht gerade die eigene Gesundheit ein sehr intimer Bereich, in dem wir Menschen eher davor zurückschreckten, Informationen preiszugeben? „Weil Gesundheitsdaten so sensibel sind“, entgegnete Braun, „ist eine sichere und absolut vertrauenswürdige Telematikinfrastruktur, über die Leistungserbringer ihre Daten austauschen, so wichtig für unsere Gesundheitsversorgung.“ An dieser Infrastruktur arbeite man bereits seit 14 Jahren. Am Anfang sei das Projekt jedoch zu groß geplant gewesen. „In dieser Legislaturperiode haben wir aber entschieden, dass der Bund durch die Übernahme der gematik GmbH die volle Verantwortung dafür übernimmt, so dass es jetzt schnell gehen sollte.“

Die sichere Übertragung ihrer Daten sei für Patienten aber nur der erste Schritt zur Akzeptanz der Aufbewahrung ihrer Krankengeschichte in einer elektronischen Gesundheitsakte. Der zweite Schritt sei es, eindeutig klarzustellen, wer diese Daten nutzen darf. Hierbei gehe es darum, so Braun, den Menschen das „Grundvertrauen zu geben, dass die Daten ihnen selbst gehören“. Vorbildlich sei das beispielsweise in Estland gelungen, wo das Projekt einer elektronischen Gesundheitsakte auch deshalb so reibungslos umgesetzt worden sei, weil jeder „die Möglichkeit hat zu sagen, wer seine Akte sehen darf, und zu überprüfen, wann wer wirklich reingeschaut hat“. Ob er selbst denn seine Gesundheitsdaten in eine elektronische Gesundheitsakte geben würde? fragte Lebert. „Sofern die alle in der sicheren Telematikinfrastruktur hängen, selbstverständlich“, antwortete Braun und verwies darauf, dass auch eine analoge Dokumentation „nicht ohne Fehl und Tadel“ sei, wie sich beispielsweise gezeigt habe, als Auszüge aus der Krankenakte des Rennfahrers Michael Schumacher in einem „bunten Blatt aufgefunden wurden“. Die kommenden Telematikstandards, so der Minister, garantierten „nach meiner festen Überzeugung eine höhere Datensicherheit, als wir sie von der alten Papierakte gewohnt sind“.

Mehr Zeit für die Patienten

„Glauben Sie, dass wir in zehn Jahren noch so zum Arzt gehen werden wie heute?“ fragte Lebert. Zweifelsohne werde die Telemedizin einen viel größeren Raum einnehmen, sagte Braun, generell aber werde die Digitalisierung „den Ärzten mehr Zeit für ihre Patienten verschaffen, denn derzeit verwenden sie ein Fünftel bis ein Drittel ihrer Arbeitszeit für Papierwust“. Auf der anderen Seite gebe es in Zukunft wahrscheinlich mehr Patienten, die sich dafür entscheiden würden, lieber mit einem digitalen Dr. Watson zu sprechen, der ihre Anonymität wahre, als mit einem Arzt aus Fleisch und Blut. In vielen Punkten sei der Arzt dennoch nicht zu ersetzen. „Ich vermute, dass der Arzt als zentrale steuernde Instanz im Gesundheitswesen noch sehr lange eine gute Zukunft hat.“ In England, so Braun, habe eine Studie jüngst ermittelt, wieviel Prozent der Tätigkeit einzelner Berufsgruppen der Digitalisierung voraussichtlich zum Opfer fallen würden. „Bei Ärzten waren es ein Drittel. Also bleiben noch zwei Drittel übrig, und das reicht den Ärzten auch.“