SprinD von der Idee zum Markterfolg

Direktor der Agentur für Sprunginnovationen sieht auch im Pharmabereich große Chancen

Die Diagnose ist altbekannt: Deutschland hat ein hervorragendes Wissenschaftssystem, versteht es aber nicht ausreichend, marktfähige Innovationen aus dessen Resultaten zu machen, um daraus volkswirtschaftlichen Nutzen zu ziehen. Paradebeispiel dafür ist die Fraunhofer-Erfindung des MP3-Formates in den 1990er Jahren, an der sich vor allem die US-Firma Apple gesundgestoßen hat. Neu ist dagegen die Therapie, die im Innovationsdialog der Bundeskanzlerin ersonnen und Ende 2019 eingeleitet wurde: Die Einrichtung einer Bundesagentur, die Wissenschaft und Wirtschaft verbinden soll, um Sprunginnovationen schnellstmöglich zu identifizieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich hierzulande zu entwickeln und zu entfalten. Rafael Laguna de la Vera ist der Gründungsdirektor dieser in Leipzig angesiedelten Bundesagentur für Sprunginnovationen (SprinD), die das Bundesforschungs- und das Bundeswirtschaftsministerium gemeinsam tragen. Wie er deren Aufgabe versteht und erfüllen will, erläuterte er in einer Keynote im Rahmen der Digital Week des House of Pharma and Healthcare.

Auf der Suche nach Persönlichkeiten

„Wir setzen sehr stark auf Persönlichkeiten, denn jede große Erfindung ist mit Menschen verbunden“, erklärte Laguna de la Vera sein strategisches Grundprinzip. Deshalb suche seine Agentur primär nach „High Potentials“. Solche „HiPos“ müssten in der Lage sein, weit über den Tellerrand ihres Fachgebietes hinauszublicken. „Denn Sprunginnovationen, die wirklich so innovativ sind, dass sie Märkte aus den Angeln heben, entstehen oft aus der Verschmelzung verschiedener Technologien, für deren Integration die Zeit reif war.“ Smartphones habe es beispielsweise schon vor 2007 gegeben, jedoch ohne vernünftige Internetkonnektivität. Indem Steve Jobs das erkannt und geändert, den Bildschirm zur Hauptsache und das Telefonieren zweitrangig gemacht habe, sei der Sensationserfolg des iPhones möglich geworden. Auch Elon Musk, Pionier der Elektromobilität und manch anderer Projekte, den man bei seinem Besuch in Deutschland gerade beklatscht habe, sei so „ein HiPo, der die Felder zusammenbringt“. Selbst wenn er den Mund manchmal zu voll nehme, sei das akzeptabel: „Einmal scheitern, weil man was gesagt hat, das nicht eintritt, ist keine Katastrophe, aber es gar nicht erst versucht zu haben, ist schlimm.“

Cross-Over Teams aufbauen und finanzieren

High-Potentials versuchten sich also häufig an einem „Cross-Over aus Bereichen, auf deren Kombination andere gar nicht kommen würden“. Manchmal arbeiteten sie jahrzehntelang hartnäckig an der Umsetzung ihrer Idee. Solche Menschen, betonte Laguna de la Vera, gebe es in Deutschland reichlich, „nur verstecken sie sich nicht selten in irgendwelchen kleinen Labors oder verfolgen ihre Ideen eher nebenher und gar nicht an den Instituten, an denen sie hauptberuflich arbeiten.“ Einer von diesen Menschen sei beispielsweise der FH-Professor Bernd Ulmann, der seit Teenagerzeiten von Analogcomputern fasziniert sei und besessen von der Idee, einen Analogrechner zu bauen, der in Rechenleistung wie Energieeffizienz jedem Digitalcomputer überlegen ist. Sein Projekt gehört zu den ersten, die die Agentur für Sprunginnovationen fördert. „Dazu brauchen wir unter anderem neue Mathematik, die wir bei Quantenkryptographen und Astrophysikern finden.“ Generell geht es mithin darum, „Teams aus verschiedenen Sparten übergreifend zusammenzubauen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre schlauen Köpfe zusammenzustecken, um ihr Ding zu entwickeln“.

Erfahrene Innovationsmanager gesucht

Natürlich stehe man damit noch ganz am Anfang, sagte Laguna de la Vera. „Uns gibt es ja gerade erst.“ Immerhin habe man aber schon mehr als 270 Projektvorschläge generiert, von denen rund 30 in intensiver Bearbeitung und neun schon in der Anfinanzierung seien. Die Agentur baue gerade ein Team von Innovationsmanagern auf, die thematische Plattformen aus Bereichen betreuten, in denen sie selbst langjährige Erfahrungen gesammelt hätten. Auch im Bereich Biologie und Pharma sehe man große Chancen. Wer es also „noch einmal wissen wolle“, dessen Bewerbung als Innovationsmanager sei ausdrücklich willkommen, sagte der Agenturdirektor und warb mit einem „hervorragenden Umfeld, denn wir haben Geld und für uns öffnen sich alle Türen, wenn wir eine Vision verwirklichen wollen und mit Druck vorantreiben“.

Ohne Agentur gäbe es auch kein Silicon Valley

Auch das vielbeschworene Silicon Valley hätte übrigens ohne massive staatliche Förderung nie zum Vorbild in Sachen Innovation werden können, sagte Laguna de la Vera. Diese Förderung erfolgte vor allem über die Advanced Research Projects Agency ARPA (später DARPA), die 1958 als unmittelbare Reaktion auf den Sputnik-Schock gegründet wurde und die Grundlage für zahlreiche Sprunginnovationen der kommenden Jahrzehnte schuf. „Das ist so ein bisschen unsere Vorbildagentur.“ Denn wie die (D)ARPA wolle man dafür sorgen, sprunginnovative Projekte möglichst schnell zusammen mit der Industrie zu entwickeln und zu skalieren. Das gelte auch für die Arzneimittelentwicklung. „Wir arbeiten bereits an vielversprechenden Projekten in diesem Bereich.“ Besondere Hoffnung setzt der erfolgreiche Software-Unternehmer dabei auf die Digitalisierung. „Mit ihrer Hilfe lässt sich die Biologie zu einer Ingenieurswissenschaft machen, in der man strukturiert und automatisiert Wirkkreise ausprobieren und neue Vorgehensweisen zur Erzeugung von Blockbusterprodukten anwenden kann.“

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